Förderpreisverleihung der Stiftung spektra – Begabung und Behinderung 2008

Am 18. Dezember 2008 überreichte Stifterin Frau Elly Schubert dem Schüler Christian Krautschneider die Summe von 5000 Euro in Anerkennung seiner hervorragenden Leistungen auf dem Gebiet der Mathematik.

Die Veranstaltung fand im Senatssitzungssaal der Leibniz Universität Hannover am Welfengarten statt. Christian besucht das Internat der Carl – Strehl – Schule, Blista Marburg, für blinde und sehbehinderte Schülerinnen und Schüler in Marburg/Lahn und wurde von seinen Eltern und seinen zwei jüngeren Brüdern, Hendrik und Stephan, sowie von seinem Schulleiter Herrn J. Lembke und dem Direktor der Deutschen Blindenstudienanstalt Herrn Duncker begleitet. Zahlreiche weitere Gäste gaben dem jungen Mann die Ehre ihrer Anwesenheit (siehe Fotos). Christian leidet an einer Opticus-Atrophie (Degeneration des Sehnervs) an beiden Augen, deren Ursache bis heute unklar ist. Alle medizinischen Versuche, das Fortschreiten der Sehverschlechterung zu stoppen, sind bisher gescheitert und so hat sich seine Sehkraft bis auf ca. 5 % auf dem besseren Auge verschlechtert. Die Prognose ist unklar, es besteht allerdings Hoffnung, dass sich die Degeneration eines Tages einstellen könnte.

Preisträger 2008
Dr. Marianne Krautschneider, Dr. Barbara Lutz, David Alessandro Günther, Geiger, Christian Krautschneider, Prof. Dr. Wolfgang Krautschneider, Stifterin Elly Schubert, Herr Seuring und Mareike Klöpfel, Institut zur Frühförderung musikalisch Hochbegabter (IFF), Hendrik und Stefan Krautschneider

Christian zeigte sich von der Auszeichnung überrascht und hoch erfreut. Er kann den Förderpreis gut gebrauchen: „Ich habe vor, mir mit dem Geld ein professionelles Mathematikprogramm wie „Mathematika“ zu kaufen. Außerdem würde ich mir ein professionelles wissenschaftliches Textverarbeitungsprogramm bzw. einen Editor für LaTeX für das Aufschreiben von Mathematik anschaffen. Des weiteren gedenke ich, am ICC (International Computer Camp) teilzunehmen, bei dem die Sprache Englisch ist und ich Kontakte mit Gleichaltrigen mit ähnlichen Interessen knüpfen kann und auch Neues über Computer und Hilfsmittel erfahre. Ferner plane ich, mit dem Geld an einem Seminar über die JAWS-Skriptsprache teilzunehmen, es ist eine Skriptsprache, in der man die Sprachausgabe JAWS an spezielle Anwendungen und Aufgaben anpassen kann und die insbesondere für spezielle Programme wie z.B. Mathematikprogramme für mich recht hilfreich sein wird. Darüber hinaus werde ich mir den Victor Reader Stream von dem Geld anschaffen, mit dem ich die DAISY-Hörbücher der Blindenbüchereien unterwegs ohne PC hören kann. Letzten Endes werde ich das Geld auch für mathematische Fachliteratur und deren sehbehindertengerechte Aufbereitung verwenden, die der DVBS (Deutscher Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf) in Form von Aufsprachen auf CD der Bücher anbietet. Das restliche Geld werde ich mir für mein Mathematikstudium aufsparen.“

Herr Oberstudienrat Günter C. Althans, 1. Vorsitzender des Vereins zur Förderung der Blindenbildung e.V., Hannover, Prof. Dr. Joachim Escher, Christian Krautschneider, Herr Joachim Lembke, Schulleiter der Carl-Strehl-Schule, Blista Marburg, Herr Claus Duncker, Direktor Deutsche Blindenstudienanstalt e.V., Marburg Claus, Stifterin Elly Schubert, Dr. Barbara Lutz, Vorstand, Prof. Dr. Klaus Hasemann, Kurator
Herr Oberstudienrat Günter C. Althans, 1. Vorsitzender des Vereins zur Förderung der Blindenbildung e.V., Hannover, Prof. Dr. Joachim Escher, Christian Krautschneider, Herr Joachim Lembke, Schulleiter der Carl-Strehl-Schule, Blista Marburg, Herr Claus Duncker, Direktor Deutsche Blindenstudienanstalt e.V., Marburg Claus, Stifterin Elly Schubert, Dr. Barbara Lutz, Vorstand, Prof. Dr. Klaus Hasemann, Kurator

Herr Althans, erster Vorsitzender des Vereins zur Förderung der Blindenbildung, Hannover, hielt einen interessanten Vortrag zum Thema „Die Brailleschrift – Navigationssystem für Blinde“. Zusammen mit Geschäftsführer Herrn Dr. Hirsch brachte er interessantes Anschauungsmaterial zu der Veranstaltung mit. Musikalisch umrahmt wurde die Veranstaltung von dem 17jährigen, blinden Gymnasiasten (St. Ursula Gymnasium, Hannover Südstadt) David Alessandro Günther, welcher als Frühstudent am Institut zur Früh-Förderung musikalisch Hochbegabter“ (IFF) an der Hochschule für Musik und Theater Hannover in klassischer Geige unterrichtet wird. Die Stiftung dankt hier für die tatkräftige Unterstützung der wunderbaren Mitarbeiter des Instituts.

Christian schreibt über sich selbst: „Schon früh habe ich mich für Mathematik interessiert und gerne Knobel- oder Logikaufgaben gelöst. Ende der sechsten Klasse nahm ich am Hamburger Test der William-Stern-Gesellschaft teil, nach dessen Bestehen ich an der Talentförderung Mathematik teilnehmen durfte. Seitdem fahre ich im Schnitt alle zwei Wochen zur Universität Hamburg und bearbeite dort drei Stunden zusammen mit anderen unter Leitung von Herrn Prof. Kießwetter abstrakte mathematische Problemstellungen. Momentan nehme ich auch bei Herrn Prof. Welker an dem diesjährigen Mathematikpropädeutikum der Universität Marburg teil, das einmal in der Woche bis Anfang Dezember stattfindet und die mathematische Modellierung der Demokratie und deren Problematik behandelt. Neben der Mathematik interessiere ich mich auch noch für Computer und Technik. Ich habe auch sehr oft und gerne gelesen, was wegen meiner fortschreitenden Sehbehinderung zunehmend schwieriger wurde. Seit eineinhalb Jahren kann ich ohne technische Hilfsmittel keine Bücher mehr lesen. Deshalb höre ich die entsprechenden Hörbücher, insbesondere Science-Fiction oder Fantasyromane und philosophische Bücher. Des Weiteren bin ich seit ungefähr sechs Jahren beim DPSG (Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg) in Hamburg-Neugraben, zu deren wöchentlichen Gruppenstunden ich gerne gegangen bin und die ich weiterhin besuche, wenn ich in Hamburg bin. Ich arbeite in der Schule mit Hilfe eines Laptops mit Vergrößerungssoftware und bekomme zurzeit eine Einweisung für eine zusätzliche Sprachausgabe. Ich konnte meine schulischen Leistungen trotz meiner Behinderung weitgehend halten und hoffe, das auch bis zum Abitur zu schaffen.“

Die Eltern freuen sich mit ihrem Sohn. Sie schreiben in einem Brief an die Stifterin Frau Elly Schubert:

„Für Ihre Initiative, eine Stiftung für Menschen mit Behinderungen, die an der Entwicklung ihrer Begabung arbeiten, ins Leben gerufen zu haben, möchten wir Ihnen noch einmal ganz herzlich danken. Sie setzen damit ein deutliches Signal sowohl für die Behinderten selbst, die einen erheblich schwierigeren Lebensweg meistern müssen, als auch für die „normalen“ Menschen, denen so die Welt und die Situation Behinderter ins Bewusstsein gerufen wird. Wie stark der von Ihnen gestiftete Preis einen Empfänger motivieren kann, dürfen wir zurzeit an unserem Sohn Christian erleben. Die Freude hat ihm neuen Mut und Energie, verliehen, sich in die Mathematik zu vertiefen. In diesem Fachgebiet treffen bei hm besondere Begabung und starkes Interesse zusammen, und er ist hier auch ausgesprochen kreativ. Durch Ihre Stiftung hat er nun die finanziellen Möglichkeiten, die durch seine hochgradige Sehbehinderung ständig spürbaren Einschränkungen zumindest teilweise mit technischen Mitteln zu erleichtern. Und dann hat dieser Preis ihm auch ein starkes Gefühl gegeben, mit seinen Fähigkeiten und besonderen Talenten anerkannt zu werden. Seine Zuversicht ist gestärkt, dass er es trotz seiner Behinderung schaffen kann und wird, ein Studium erfolgreich zu absolvieren und später einen Beruf zu ergreifen, in dem er sein Potential entfalten und in der Zusammenarbeit mit anderen Erfüllung finden kann. Diesen Preis mit der würdevollen Feierstunde und dem anschließenden leckeren Imbiß wird er während seines gesamten Lebens nicht vergessen. Er wird für ihn eine bleibende Botschaft sein, nicht nur als Ermutigung, seinen Weg weiter zu gehen, sondern auch als Zeichen, dass es Menschen gibt, die seine besonderen Schwierigkeiten wahrnehmen und einen aktiven Beitrag dazu leisten, dass er trotz und mit seiner Behinderung seiner Begabung gerecht werden und seinen Beitrag in dieser Welt leisten kann. Und dann ist solch eine Preisverleihung auch ein wichtiges Ereignis in einem Lebenslauf, wie er für Bewerbungen gefordert wird, und lässt den Preisträger positive in einem zunehmend härteren Wettbewerb um qualifizierte Stellen herausragen.“

Der Dank der Eltern gilt auch Prof. Joachim Escher, Dekan der Fakultät für Mathematik und Physik der Leibniz Universität Hannover: „Für Ihre Unterstützung der Arbeit der Stiftung spektra möchten wir uns ganz herzlich bedanken. […] Als Dekan werden Sie zahlreiche, wahrscheinlich oft zu zahlreiche Verpflichtungen wahrnehmen müssen, die zu den Aufgaben in Forschung und Lehre eines Universitätsprofessors hinzukommen, die für sich bereits einen sehr vollen Arbeitstag bedeuten. Deshalb sind wir Ihnen besonders dankbar, dass Sie sich für diese Feierstunde Zeit genommen haben und so die Universität hochrangig vertreten haben. Es war sehr schön, erleben zu können, dass auch in heutiger Zeit, die oft von vordergründiger Optimierung gekennzeichnet ist, die Pflege von Universitätskultur weiterhin gepflegt und gelebt wird.“